Schlafzwilling
Eine Ausstellung über eine Art der Müdigkeit
Keramikfiguren, ein Raum aus Holz und Stoff, Animationsvideo, Zeichnungen
sleeptwin
an exhibition about one kind of fatigue
clay-figures, a room made of wood and canvas, animated video, drawings
Müdigkeit: Schlafzwilling
„Wir sind aus solchem Stoff wie das zu Träumen, und unser kleines Leben umfängt, rundet ab ein Schlaf...“ Shakespeare
Müdigkeit, das ist ein Wort, ein Zustand, irgendwo zwischen der Helligkeit des Tages und dem Verschwinden in der Nacht. Zwischen der geistigen Erleuchtung der Aufklärung, dem elektrischen Licht der Industrialisierung, das uns auch heute noch dauerhaft wach hält, und dem Dunkel zu dem der Schlafende sich öffnet. Müdigkeit ist ein Schwellenzustand, den ich im Laufe der nächsten Jahre erforschen will. Schlafzwilling heißt nun die erste Ausstellung von Arbeiten zu diesem Thema.
Der Begriff Schlafzwilling bezeichnet ein Phänomen, dem Jean-Luc Nancy nachgespürt hat. Was Nancy beschreibt ist die Einsicht, dass ich im Schlaf nicht mehr Ich bin, da ich mich nicht mehr bewusst von der Welt trennen kann, die mich umgibt. Wer es zulässt einzuschlafen, der lässt auch zu, dass das Ich sich auflöst. Anstelle des Ich schläft der Schlafzwilling an meiner Stelle oder genauer als Verwandlung meiner selbst.
Es ist leicht zu verstehen: Von jedem Mensch, der einschläft, löst sich etwas ab und verschwindet für eine Zeit. Denken wir an ein Kind, dass seine Eltern zur Weißglut treibt, um kurz darauf völlig erschöpft und verausgabt einzuschlafen. Friedlich liegt es nun da und der Ärger der Eltern fällt von ihnen ab, wie auch das Bewußtsein vom Kind abgefallen ist.
Die Arbeiten in der Ausstellung denken nach über dieses Phänomen, der schläfrigen Auflösung des Ich, indem die Figuren und Zeichnungen Momente befragen, in denen es nicht mehr gelingt sich ganz fallen zu lassen oder solche Momente in denen man sich selbst beim Fallen beobachten kann, ohne dabei wirklich zu schlafen.
Die Keramikfiguren der Serie einige müde Leute rollen sich zusammen, schlagen den Arm vors Gesicht und sinken vorneüber. Man sieht ihnen an, dass sie schwer werden, der Schlaf zieht an ihnen, die Lautstärke von Welt und Gedanken zeichnet sich als Farbe auf ihren Tonkörpern ab. Sie versuchen zwei Dinge zur gleichen Zeit: Loszulassen und sich von der Welt abzuschirmen. Da beides einander widerstrebt finden sie keine wirkliche Ruhe, sind fragil, denkend und werden daran müde.
Während sie so still und gespannt daliegen, sehen wir ihre digitalen Abbilder mühelos und unbeteiligt durch virtuelle Stoffflächen fallen und darin versinken. Auch diese Computermodelle kennen weder Schlaf noch Wachen. Solche Avatare können sich von ihrer simulierten Welt weder klar abheben, noch lösen sie sich ganz darin auf. Die hier gemachte Verbindung will sagen, dass das digitale Fallen den Zustand der müden, zwischen Schlaf und Wachsein liegenden Figuren erfahrbar macht.
Tiredness: Sleeptwin
“We are such stuff as dreams are made on, and our little life is rounded with a sleep.” Shakespeare
Tiredness, a word, a state of beeing, somewhere between the brightness of day and its vanishing at night. Between the lucidity of enlightenment, the electric flash of the industrialization, which still keeps us awake today, and the dark, to which the sleeping human opens up himself.
Tiredness is a transitional space, which I want to investigate in the next few years. Sleeptwin is the name of the first exhibition of works surrounding this topic.
The word sleeptwin originates from an observation made by Jean-Luc Nancy in his book From Sleep. He explains his insight, that when I sleep I am no longer “I”, because I can not consciously separate myself from the world surrounding me. If you allow yourself to fall asleep, you allow the dissolving of the “I”. Instead of “I” the sleeptwin sleeps in my place as a self-metamorphosis.
Nancys notion is understandable: From every person falling asleep something secedes. Think of a child, infuriating his parents, just to finally fall asleep, completely exhausted and peaceful. The parents anger vanishes immediately, and so does the child’s consciousness.
The works in the exhibition expound this phenomenon (the sleepy dissolving of the “I”), by portraying, in figures and drawings, moments in which we do not succeed in letting go of ourselves or in which we are able to observe ourselves falling. Moments trapped between wakefulness and sleep.
The clay-figures “some tired people” curl up, put their arm over their eyes or fall forward. You can see, that they are becoming heavy, sleep pulls them, the volume of world and thoughts shows itself as colors on their bodies. They try two things at a time: Let go and shield themselves of the world. Bound between these two antagonistic forces, they are fragile, thinking, and become tired.
While they are lying there silently and tense, we see their digital effigies falling through and into digital planes of cloth, unaffected and uninvolved. These 3D-Models know neither sleep nor wakefulness. These Avatars are unable to fully differentiate themselves from their simulated world, but can’t dissolve into it either. The connection I am trying to show: The digital falling mirrors the state of the tired figures, between night and day.