dieses jahr notiere ich jeden tag etwas
1 ein haar straff zurückgebunden / und eine dezember-naht, die du unentwegt halten musst / als wärest du dein eigenes kleid / fäden lösen sich - / allein wie ein blick trennt diese naht (halt sie fest) einen radius um dich, also: / habe ich dich kaum erkannt / und nichts zieht uns mehr an als das: / keine farbe hat bestand
2 meine handflächen waren rauh vom wind, grau von wärme / ich lege die feuerwerklichter, lege die ablaufende zeit / hinein frage mich / reicht das nicht sie zu verbergen / aber der song den ich höre handelt von gezeiten / "surrender to the tide..." und meine wimpern flattern / den wellen nachgebend
3 laufe den bekannten weg / zerriebene blätter / obwohl ich hier liege / kenne die schritte schon, weiß nicht ob ich träume / höre meinen atem / laufe den weg zu den apfelbäumen, den alten mit asche-armen / liege hier fülle lungenkammern dachkammern / ein atemzug bis zu dir / und zurück
4 fein hellgrüne nadel / fransig lichte baumkronen / windschwimmer / entlang zufälliger gedanken // zellen in trance / vielleicht die ersten sonnenpunkte unter der haut / und zwischen beiden melodien, wie könnte ich stillstehen
5 nachricht / pixel und poren / sortiertes glühen / unter cyan lid / unsere geometrischen worte, weniger als lichtfäden / schon das geräusch von regen / wäscht sie von der haut
6 ich kann nicht die sprudlig glitzernden laute aller regenmünzen zählen / kann nicht alle gelenke bitten in eine richtung zu sehen / wo soll ich nur meine hände ablegen? / als wäre irgendwo außerhalb das erstaunlichste blühen / wende und wende ich meine augen
7 einmal fand oder erfand ich diesen riesigen schwarzen vogel und ich weiß einfach nicht wohin mit ihm sein glänzendes gefieder deckt mich zu und es riecht nach abend, allein, wo ist platz für einen vogel, so groß wie ich, in meiner wohnung? da kann er noch so freundlich lächeln... habe ihn vorerst ins bad gestellt. ich weiß ja auch nicht
8 träumte nicht / von deiner hand zwischen meinen schulterblättern / davon wie leicht du die verästelungen am rande meines blicks auflöst / durch meine haare fährst / übers ohr hals finger / kuppen / nicht davon / sondern schlief / mein atem irgendwo anders verborgen
9 deine mimik wie das langsame rollen eines abendmeers / gesten leicht wie schwarze haare / oder auch nicht, entschuldige / ich könnte dir lange dabei zusehen wie du über erinnerte buchrücken streichst
10 schnee fiel / und ich bin erleichtert / jedes fieber von weiss verdeckt / schnee fiel / in großen flocken / und verteilt das licht
11 über die jahre erodiert. wache auf als hätte ich alle seasons meines lebens nochmal geschaut, ohne fast forward. suche die pause taste.
12 15 zoll horizont / fokuspunkt eingebrannt / gedanken auf warmem plastik / in polyethylen gepflanzt / ich wünschte ich wäre durstig
13 unser atem hier und vielleicht bald vermischt / wärmefelder, wärmetaschen / komm, wir legen kitzelnd unfertige worte mit hinein / wärmeecho, wärmekammern / ein paar worte verfangen sich im haar / und keine berührung abgeschlossen
14 deine stimme von nähe aufgerauht oder rauher / die blätter von silbrigem abend geprägt / your lips, my lips, apocalypse / im fahrtwind verstreut: alles was ich mal besaß / brauch es nicht / höre schon / deine Brandung
15 all meine müdigkeit verläuft in einer linie / meine müdigkeit eine linie, in deiner handfläche / ziehst eine müdigkeitslinie über mein gesicht / und der weg von finger zu ballen / genügt für alle gedanken
16 die großen und die verborgenen fenster geöffnet, die türen werden aufgeschlossen, wir laufen aufgeregt durchs haus, diskutieren: könnten wir nicht, vielleicht, die fenster nur kippen, ein stückchen nur, schauen sie doch, das ganze wetter zieht rein, und all das licht, wir können die sachen ja gar nicht mehr festhalten und die türen, die türen, schauen sie doch, alle kommen herein und überall, alle räume, so hell, voller stimmen, entschuldigung dürfte ich sie bitten vielleicht doch im vorgarten zu warten oder irgendwo, da draußen? derweil sitze ich hier und denke mir es war eine schöne woche
17 sprechen einander silben / nahrung
18 morgens öffnen wir die Vorhänge, keine Nähte zu sehen, der hellblaue Stoff geht fugenlos in die Wolken. Mit der Rückseite der Fingernägeln schleifen wir die Wände entlang, sie geben nach, wir spüren keine Risse. Der Kokon ist jetzt geschlossen. Wir wanken oder pendeln durch glatt verbundene Tunnel und Dome, alles wölbt sich, holt sanft Luft, wie ein Schiff, das zufrieden untergeht. Wir gehen gewohnte Wege, was für ein weicher Takt. An einer Stelle, ungesehen, noch die Schatten einer glühenden Zeit.
19 doch, schau / auch an meinen Händen / die Schwielen alter Bildhauerei / habe dich aus Ton geformt / gepresst, gedrängt, geknetet / und meine Sehnsucht ... haftet sie an dieser Form / sie dir wie ein Kleid / einen bleibenden Abdruck meiner Hände / anziehen
20 hier plappern die Steine / und die Kaminglut erzählt vom nächsten Tag / knistern / reißt die Schubladen auf, macht Platz / auch morgen wird gebaut